Trauerredner? Nie gehört! Was ist das?
- Helen Baumer
- 17. Sept. 2024
- 3 Min. Lesezeit
Vor einigen Jahren führte ein Trauerredner-Kollege von mir eine Trauerfamilie in die Bündner Bergen. Dort, wo ein 30-Jähriger zu Tode gestürzt war, nahmen seine Nächsten am Schluss einer besinnlichen Wanderung von ihm Abschied.
Diese personalisierte Art, sich von einem Verstorbenen zu verabschieden, unterscheidet sich stark von einer kirchlichen Abdankung. Sie ist charakteristisch für die individuellen Zeremonien, die von professionellen Trauerrednerinnen und Trauerrednern in der Schweiz geleitet werden.
Natürlich werden nicht alle nichtkirchlichen Abschiedsfeiern an abgelegenen Orten durchgeführt. Sie können ebenso gut in einer Friedhofskapelle oder auf dem Friedhof stattfinden. Häufig enthalten sie auch spirituelle oder gar religiöse Elemente, je nach Wunsch der Trauerfamilie. All diesen Feiern ist jedoch gemeinsam, dass der Trauerredner die Zeremonie in enger Absprache mit der Trauerfamilie unter Berücksichtigung der Wünsche des oder der Verstorbenen gestaltet. Bei allen Trauerzeremonien wird stark darauf geachtet, dass der Charakter und das Wesen des oder der Verstorbenen aufleuchtet und dass er oder sie würdig verabschiedet wird.
Wie verbreitet sind freie Trauerzeremonien in der Schweiz? Nach wie vor werden rund drei Viertel der Verstorbenen kirchlich beerdigt. Das bedeutet aber, dass bei einem Viertel – immerhin 18 000 Personen pro Jahr – keine Abdankung in der Kirche stattfindet.
Wie viele dieser 18’000 Personen im Rahmen einer freien Trauerfeier verabschiedet werden, wissen wir nicht, da es dazu leider keine Zahlen gibt. Auch zum Berufsstand Trauerredner/Trauerrednerin gibt es keine offiziellen Informationen. Doch es wird geschätzt, dass in der Schweiz über 500 Menschen üben diesen Beruf aus. Fast alle von ihnen arbeiten Teilzeit. Nur gerade zwanzig Personen in der Deutschschweiz sind hauptberuflich als Trauerredner/Trauerrednerin tätig.
Im Ausland sieht es anders aus. In England gibt es beispielsweise Landesgegenden, in denen bis zu 70 Prozent aller Abschiedszeremonien von freien Trauerrednern oder Trauerrednerinnen geleitet werden. Dort und in den anderen englischsprachigen Ländern werden sie funeral celebrants genannt. Die Geschichte dieser funeral celebrants im angelsächsischen Raum geht viel weiter zurück als jene ihrer Berufskollegen und ‑kolleginnen hierzulande.

Die ersten Trauerfeiern, die von funeral celebrants geleitet wurden, fanden in den 1970er-Jahren in Australien statt. Schon 2004 berichtete das Time Magazine, dass in den Grossstädten Australiens und Neuseelands weit über 50 Prozent aller Abschiedsfeiern von funeral celebrants geleitet würden.
Der Beruf fasste in Grossbritannien und in den USA Fuss. Seit 2013 gibt es in Grossbritannien entsprechende staatlich anerkannte Ausbildungen auf Diplomniveau. In letzter Zeit steigen in Grossbritannien sogar landesweit bekannte Persönlichkeiten wie der Fernsehmoderator und Sänger Aled Jones in den Beruf ein.
Auch in Deutschland breiten sich freie Trauerzeremonien aus. Dort werden über die Hälfte der Verstorbenen ohne kirchliche Begleitung bestattet. Etwa fünfhundert Personen arbeiten als Trauerredner bzw. Trauerrednerin.
In der Schweiz findet man seit über 15 Jahren ehemalige Theologen, Theologinnen oder Humanisten, die als Trauerredner arbeiten, sowohl in der Romandie wie auch in der Deutschschweiz. 2013 wurde in Genf ein Berufsverband gegründet, die Association des célébrant(e)s et officiant(e)s romand(e)s (ACOR). In der Deutschschweiz entstanden Berufsvereinigungen wie AMANOS oder der Ritualverband; 2021 wurde der Berufsverband Schweizerischer ZeremonienleiterInnen (Berufsverband SZL) ins Leben gerufen.
Ausbildungen zum Trauerredner bzw. zur Trauerrednerin gibt es sowohl in der Romandie als auch in der Deutschschweiz. Immer mehr Personen satteln auf diesen Beruf um: ehemalige Lehrerinnen, Krankenpfleger, Fernsehmoderatoren, Beraterinnen, Journalisten, nur um wenige Beispiel zu geben. Was sie alle verbindet: der Wunsch, anderen Menschen in einer schwierigen Lebenssituation zu helfen sowie ein Interesse am Tod.
Anders als in den englischsprachigen Ländern, wo in der Regel ein Bestattungsinstitut als Auftraggeber funktioniert, arbeiten nur wenige direkt mit Bestattern zusammen. Sie sind selbstständig und vermarkten ihre Dienstleistungen selbst. Familien auf der Suche nach der richtigen Trauerzeremonie-Leiterin oder einem passenden Abschiedsredner sind darauf angewiesen, die Websites der verschiedenen Berufsverbände zu konsultieren und dort deren Trauerredner-Verzeichnisse anzuschauen.
Diese Listen dürften in Zukunft immer wichtiger werden, da die Nachfrage nach freien Trauer-Zeremonien stark steigt. Seit 2015 hat sich diese Tendenz deutlich verstärkt. Die Bestattungsämter in den Gemeinden führen immer häufiger eigene Listen von Trauerrednern und Trauerrednerinnen. In den letzten Jahren hat sich die Bewegung hin zu mehr unabhängigen Abschiedsfeiern durch die vielen Austritte aus den Landeskirchen noch intensiviert: Im Jahr 2023 verdoppelte sich beispielsweise im Kanton Zürich die Zahl der Menschen, die aus der katholischen Kirche ausgetreten sind, auf fast 14 000. 2022 waren es über 7000 gewesen, was bereits eine rekordhohe Zahl in der Geschichte der Zürcher Kirche war.
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